
Am Sonntag (18 Uhr, im Audiostream und im Liveticker auf sportschau.de) spielen England und Spanien in Basel um den Titel bei der Frauen-Europameisterschaft 2025. Welche der beiden Mannschaften hat die besseren Einzelspielerinnen?
In der K.o-Runde der EM 2025 ruckelte es ein wenig bei den Spanierinnen, doch die Weltmeisterinnen sind bislang bei der EM die stärkste Mannschaft. Fünf Siege in fünf Spielen bei 17:3 Toren sind eine imposante Bilanz, auch wenn für den hart erkämpften Halbfinalerfolg gegen die DFB-Frauen die Verlängerung notwendig war.
Europameister England ist indes das wohl kämpferischste Team des Turniers – die „Lionesses“ stecken nie auf und haben schon jetzt den inoffiziellen Titel als „Comebackerinnen des Turniers“ sicher. Nun treffen die aktuellen Welt- und Europameisterinnen im St. Jakob-Park in Basel im Finale der Frauen-EM aufeinander. Sportschau.de vergleicht die wahrscheinlichen Startformationen.
Tor – Hampton knapp vor Coll
Hannah Hampton spielt bislang ein starkes Turnier. Die 24-Jährige trumpfte etwa im Viertelfinale gegen Schweden (3:2 nach Elfmeterschießen) auf und gilt als mitspielende Torhüterin. Zu Hamptons Stärke gehört die Raumverteidigung – sie fing 18 Prozent aller gegnerischen Bälle ab. Das ist der EM-Bestwert, ebenso wie ihre präzisen weiten Zuspiele, von denen 56 Prozent ihre Adressatin fanden.
Cata Coll indes mischte nur im Viertel- sowie im Halbfinale mit, nachdem sie wegen einer Mandelentzündung im Vorfeld der EM lange Zeit nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte gewesen war. Die 24-jährige Keeperin wurde in ihren beiden Einsätzen noch nicht überwunden, ihre Stärken liegen vor allem auf der Linie. Aufgrund der bisherigen Auftritte geht dieser Punkt allerdings an England.
Rechtsverteidigerin – Bronze und Batlle auf Augenhöhe
Trotz ihrer bereits 33 Jahre legt Lucy Bronze auch weiterhin sehr gerne den Vorwärtsgang ein. Die englische Rechtsverteidigerin schlägt viele Flanken und sucht auch immer wieder selbst gerne den Abschluss. In ihrem Kerngeschäft, der Defensive, spielt sie mit bislang nur 35 Prozent gewonnenen Bodenzweikämpfen ein unterdurchschnittliches Turnier.
Die große Stärke von Ona Batlle ist die Ballsicherheit. Ihre Passquote liegt bislang bei 88 Prozent – Bestwert aller Rechtsverteidigerinnen bei der EM 2025. Auch die 26-Jährige mischt gerne in der Offensive mit. Dafür leistet sie sich in der Abwehrarbeit die eine oder andere Schwäche, sodass Batlle und Bronze ungefähr auf Augenhöhe liegen.
Spaniens Rechtsverteidigerin Ona Batlle (r.) im intensiven Duell mit ihrer deutschen Gegenspielerin Klara Bühl.
Innenverteidigung – Paredes punktet gegen Williamson
Eigentlich sollte Leah Williamson als Kapitänin bei England vorangehen – im Viertelfinale gegen Schweden brachte sie ihr Team aber mit gleich sechs Abspielfehlern in der eigenen Hälfte in enorme Schwierigkeiten. Die 28-Jährige, die bei den „Lionesses“ auf der rechten Innenverteidigerinnenposition agiert, versucht durch aggressive Vorwärtsverteidigung im Gegenpressing möglichst viele Bälle zu erobern.
Diese sind auch charakteristisch für die Spielweise von Irene Paredes. Die 6,2 Ballgewinne der 34-Jährigen pro 90 Minuten sind bislang der zweitstärkste Wert der EM 2025. Diesen erarbeitet sie sich durch kluge Positionierung, nicht durch Zweikampfstärke. Hier liegt ihre Quote nur bei 30 Prozent am Boden und 17 Prozent in der Luft. Aufgrund von Paredes‘ Ballsicherheit, ihrer Passquote von 93 Prozent und ihren bereits neun abgegebenen Torschüssen (Bestwert aller Innenverteidigerinnen) hat sie knapp die Nase vor Williamson.
Innenverteidigung – Alexandris Spielaufbau gibt den Ausschlag
Esme Morgan kam erst in der K.o.-Runde ins englische Team. Die linke Innenverteidigerin wurde bislang kaum einmal mit Ball überspielt und leistete sich fast keine Ballverluste. Im Spielaufbau weist Morgan allerdings Schwächen auf – nur 23 Prozent ihrer Pässe spielt sie vertikal. Das ist der zweitschlechteste Wert aller Innenverteidigerinnen bei der EM 2025.
Auf spanischer Seite spielt Laia Alexandri 1,7 Mal pro 90 Minuten Foul. Das ist EM-Höchstwert unter den Innenverteidigerinnen. Sie dribbelt häufig die gegnerische Pressinglinie an (über 17 Mal im Schnitt pro Spiel), um ihrem Team im Offensivspiel Raum zu verschaffen. Auch ansonsten initiiert sie viele Angriffe: Sie spielt 20,3 raumgewinnende Pässe pro Partie. Morgans Quote liegt hier nur bei 1,9 Pässen, daher geht der Punkt an Spanien.
Linksverteidigerin – Greenwood offensivstärker als Carmona
Sie ist einer der Fixpunkte bei den „Lionesses„: Alex Greenwood ist am Boden und in der Luft extrem zweikampfstark. Dazu kommen im Schnitt über 25 vertikale Pässe pro 90 Minuten – Bestwert aller Linksverteidigerinnen bei der EM 2025. Die englische Standardschützin kommt zudem auf über sechs Flanken pro Spiel – ebenfalls ein starker Wert.
Greenwoods Pendant auf spanischer Seite ist Olga Carmona. Die 25-Jährige marschiert oft nach vorne und fungiert als zusätzliche Anspielstation. Sie ist durchschnittlich an über 20 Aktionen pro Match im Angriffsdrittel beteiligt – aufgrund der Zweikampfstärke geht dieser Punkt allerdings an England.
Defensives Mittelfeld – Patris Weltklasse schlägt Walsh
Spaniens Trainerin Montserrat Tomé bezeichnete Patri als „weltweit beste zentrale Mittelfeldspielerin„. Die Sechserin fängt viele gegnerische Angriffe ab und ist zudem oft Ausgangspunkt der spanischen Spielzüge. Das spiegelt sich in den Statistiken wider: Im Viertelfinale gegen die Schweiz (2:0) hatte die 27-Jährige 142 Ballkontakte – ebenso viele wie im Halbfinale gegen Deutschland über 120 Minuten. Patri ist pro 90 Minuten an über neun Torschüssen beteiligt – ein absoluter Spitzenwert.
Auch Keira Walsh zählt zur internationalen Klasse. Die 28-Jährige, die beim FC Barcelona zusammen mit Patri spielt, ist ebenfalls fast immer anspielbar und stopft defensiv Löcher. Sie nahm sich allerdings bei der EM auch immer mal wieder Auszeiten, etwa im Halbfinale gegen Italien (2:1), während Patri durchgängig auf Spitzenniveau ablieferte. Daher heißt es auf der Sechs: Vorteil Spanien.
Zentrales Mittelfeld – Bonmati wird immer stärker
Sie ist die Frau für die besonderen Momente: Aitana Bonmati brach im spanischen EM-Viertelfinale gegen die Schweiz (2:0) mit einer genialen Hackenvorlage den Bann, im Halbfinale gegen Deutschland gelang ihr aus sehr schwierigem Winkel der goldene Treffer. Dabei litt die spanische Achterin kurz vor Beginn der EM 2025 noch an einer Hirnhautentzündung und näherte sich erst im Verlauf des Turniers ihrer Bestform an.
Georgia Stanway gilt zwar als eine der englischen Schlüsselspielerinnen, aber die 26-Jährige vom FC Bayern München sucht trotz bereits zwei Turniertoren ihre Konstanz. Beleg dafür: In den engen Schlussphasen gegen Schweden und Italien saß sie jeweils bereits ausgewechselt auf der Bank. Aufgrund der Formkurve und des Potenzials liegt Bonmati vor Stanway.
Offensives Mittelfeld – Toone kann nicht mit Putellas mithalten
Ella Toone taucht phasenweise immer mal wieder ab, doch dann ist die englische Zehnerin plötzlich da, wo es brennt. Ihr xG-Wert (zu erwartende Tore) von über 2,5 ist der höchste aller Mittelfeldspielerinnen bei der EM.
Auf spanischer Seite ist die zweimalige Weltfußballerin Alexia Putellas (2021, 2022) indes eine andere Hausnummer. Die 31-Jährige nimmt in der spanischen Offensive eine Schlüsselrolle ein, sie ist quasi omnipräsent. Im Laufe des Turniers war sie an 35 Torschüssen beteiligt – absoluter Bestwert. Da kann Toone nicht mithalten.
Rechter Flügel – James ist torgefährlicher als Mariona
Lauren James hatte schon stärkere Spiele als das Halbfinale gegen Italien – und doch war die rechte Flügelspielerin an vielen Abschlüssen direkt beteiligt. Die 23-Jährige ist bei dieser EM bislang an acht Torschüssen pro 90 Minuten beteiligt und somit ein wichtiger Faktor im englischen Offensivspiel.
Mariona Caldentey kann dahingehend nicht mit James mithalten, obwohl die Spanierin knapp 30 Ballaktionen pro Spiel mehr aufweist. Der 29-Jährigen fehlt es, gemessen an ihrem Potenzial, an Effizienz. Aus vielen Ballkontakten entstehen zu selten gefährliche Aktionen – daher Vorteil England.
Linker Flügel – Pina ist präsenter als Hemp
Eine Torbeteiligung in fünf Spielen – ein Treffer beim englischen 6:1-Erfolg gegen Wales – steht bislang für Linksaußen Lauren Hemp in der Statistik. Die 24-Jährige spielt solide, aber unauffällig.
Ganz anders agiert Claudia Pina im spanischen Team. Die Außenstürmerin erzielte bislang zwei Treffer, schlägt im Schnitt über zehn Flanken pro Spiel (EM-Bestwert) und ist an über acht Torschüssen in 90 Minuten beteiligt. Pina ist im gegnerischen Strafraum deutlich präsenter als Hemp – Punkt für Spanien.
Mittelstürmerin – Russo und Gonzalez erfüllen ihre Aufgaben
Alessia Russo ist Englands Zielspielerin im Sturmzentrum. Die Hauptaufgabe der 26-Jährigen ist es, Bälle festzumachen und gefährliche Situationen für ihre nachrückenden Mitspielerinnen zu kreieren. Die 26-Jährige gilt als extrem zweikampfstark und mannschaftsdienlich, sie schafft im Schnitt über zwei Torschussvorlagen pro Spiel. Ein Treffer gelang Russo indes nur beim Sieg gegen Wales.
Esther Gonzalez spielt nicht so mannschaftsdienlich, sie ist eher der Typ „klassische Mittelstürmerin“, die selbst den Abschluss sucht. Mit vier Toren führt sie die Torschützinnenliste der EM 2025 an, der xG-Wert der 32-Jährigen liegt bei über fünf Treffern. Ihre acht Großchancen sind Turnierhöchstwert.
Die Rollen von Gonzalez und Russo sind unterschiedlich – aber beide erfüllen ihre Aufgaben vorbildlich. Beide Stürmerinnen sind für ihre Teams wichtig – hier gibt es ein Remis zwischen England und Spanien.
Fazit: Spanien ist besser besetzt als England, aber…
Spanien ist im Duell zweier großer und traditionsreicher Frauenfußballnationen der Favorit. England punktet im Tor, auf der Linksverteidigerinnenposition und auf dem rechten Flügel. Rechts hinten und im Sturmzentrum befinden sich beide Länder auf Augenhöhe, ansonsten liegt Spanien vorne. Insbesondere im Mittelfeld sind die Südeuropäerinnen exzellent, nämlich durchgehend mit Weltklasse-Spielerinnen, besetzt.
Auf dem Papier führt Spanien somit mit 7:4. Die Wahrheit liegt ja aber bekanntlich auf dem Platz. Und hier spricht, bei aller individuellen Qualität des Weltmeisters, vor allem die Moral für England. Die „Lionesses“ zogen in der K.o.-Runde schon zweimal den Kopf aus der Schlinge und bogen einen Rückstand in ein Weiterkommen um. Ihre „Never-give-up-Mentalität“ und ihre Resilienz könnten im EM-Endspiel wichtige Faktoren werden. Zumal sie in Startrainerin Sarina Wiegman, der zweifachen Europameisterschafts-Coachin, eine Frau an der Seitenlinie haben, die weiß, wie es geht…
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